Bildung hängt seit jeher überall direkt von Klasse, Geschlecht und ethnischer Zugehörigkeit ab. Doch nirgendwo ist dieser Zusammenhang deutlicher erkennbar als im subsaharischen Afrika.
Klassenunterschiede und geschlechtsspezifische Ungleichheiten im Bildungswesen
Einer UNICEF-Studie zufolge sind es vor allem Guinea, die Zentralafrikanische Republik, Senegal, Kamerun, Benin, Niger und Ruanda, die am wenigsten Geld in die Bildungsmöglichkeiten für die ärmste Bevölkerungsschichten stecken (Imchen 2020, 6). Jedes dieser Länder investiert nur 10 % oder weniger seiner öffentlichen Bildungsmittel in seine ärmsten, aber 30 % bis 50 % in seine wohlhabendsten Haushalte. Auch Ghana, Togo und Tunesien geben relativ wenig öffentliche Mittel für die Bildung der Armen aus. Stattdessen bevorzugen sie die Oberschicht und nutzen die Regierungsmacht vor allem als Instrument zur Stärkung der Eliten. Dadurch entsteht ein Teufelskreis aus Armut und Analphabetismus in den ärmsten Regionen dieser Länder. Dabei verfügen die Wohlhabenden eigentlich selbst über ausreichend Mittel, ihre eigene Bildung zu finanzieren: Sie unterstützen die akademische Laufbahn ihrer Kinder durch Hausaufgabenhilfe, Nachhilfelehrer und Fahrdienste zur Schule und führen ihre Kinder schon in jungen Jahren an das Lesen von Büchern heran. Fließen aber öffentliche Gelder vor allem an Menschen und Systeme, die eigentlich gar keinen Bedarf an ihnen haben, bedeutet dies gleichzeitig einen enormen Nachteil für die Armen der Bevölkerung. Das Versagen der Regierungen an dieser Stelle macht Hilfe von außen deshalb umso dringender nötig.
Die Ungleichheit der Geschlechter verschärft die bestehenden Klassenunterschiede dann noch weiter. Dieselbe UNICEF-Studie ergab, dass im ärmsten Fünftel der Bevölkerung 44 % der Mädchen entweder nie die Schule besuchten oder die Grundschule abbrachen. Bei den Jungen derselben Gesellschaftsschicht waren es dagegen nur 34 % (Imchen 2020, 3). Deshalb dürfen sich Veränderungsbestrebungen nicht allein auf die Bildung der Ärmsten konzentrieren, sondern müssen gleichzeitig dafür sorgen, dass Mädchen und Jungen gleichermaßen Zugang zur Bildung erhalten. Die Diskrepanz von 10 % zwischen Jungen und Mädchen wurzelt in einer Vielzahl geografischer, kultureller, wirtschaftlicher und sicherheitsrelevanter Faktoren. So bleiben Mädchen zum Beispiel in Ländern, in denen Konflikte herrschen, mit mehr als doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit als anderswo der Schule fern. ("Girls' Education").
Auch in Zeiten der Not sind es oft die Mädchen, deren Träume, Zukunft und Bildung der Familie geopfert werden. Sie werden zur Pflege kranker Familienmitglieder herangezogen, müssen Geld zum Familieneinkommen hinzu verdienen oder im Haushalt mithelfen. Mädchen lernen auf diese Weise früh, dass Bildung für ihr Leben nicht notwendig ist. Ohne entsprechende Anreize und angesichts des familiären Drucks verzichten Tausende von Mädchen auf den Schulbesuch, um stattdessen die traditionelle weibliche Rolle im Haushalt zu übernehmen. Ein weiteres großes Hindernis für die Bildung von Mädchen stellt das Thema Gewalt dar. Auf langen Schulwegen, die die ärmsten Schülerinnen in ländlichen Gebieten zurücklegen müssen, sind die Mädchen häufig sexuellen und körperlichen Übergriffen ausgesetzt ("Girls' Education"). Nicht einmal in der Schule selbst sind die Mädchen wirklich geschützt, denn oft werden sie dort von ihren Lehrern missbraucht. Ist aber der Schulbesuch an sich für Mädchen und Frauen nicht sicher, müssen wir ihnen gefahrlose Bildungsalternativen anbieten.
Unterrichtssprache
Im subsaharischen Afrika spielt auch die Unterrichtssprache eine wichtige Rolle für den Bildungserfolg. Formale Bildung wurde in der Region erst durch die Kolonisierung eingeführt: Missionare brachten den Islam und das Christentum auf den Kontinent und prägten die Kultur, die Religion und die Bildung dieser Länder für immer (Heneveld 1996, 7). Beim Thema weibliche Bildung ging es ihnen dabei ausschließlich um religiöse Indoktrination und um die Einführung eines diesen fremden Religionen entsprechenden neuen ethischen, sozialen und kulturellen Kodex. Später kolonisierten die europäischen Staaten Afrika und übernahmen dabei auch die formale Bildung. Schulbildung in diesem kolonialen Sinne befähigte die Bürger nicht zum selbständigen Denken und Handeln. Sie brachte ihnen weder etwas über ihre eigene Geschichte und die Welt bei, noch vermittelte sie ihnen Fähigkeiten, mit denen sie in Afrika oder in der westlichen Welt Erfolg haben konnten. Stattdessen änderte sie ihr Leben grundlegend und diente dazu, die europäische Herrschaft aufrechtzuerhalten. Der öffentliche Schulunterricht, der von der Kolonialregierung kontrolliert wurde, fand deshalb in den jeweiligen offiziellen europäischen Sprachen statt ("Kolonialsprachen"). Auch heute noch stellt diese Unterrichtssprache für viele Afrikaner eine Barriere dar. Der afrikanische Erziehungswissenschaftler Pai Obanya stellt deshalb fest, dass "das größte Lernproblem des afrikanischen Kindes sprachlicher Natur ist" (Brock-Utne 2001, 1). Da im Alltag natürlich die lokalen Sprachen gesprochen werden, kommen Kinder oft erst in den Jahren der formalen Schulbildung mit den europäischen Sprachen in Berührung. Die Kinder müssen dann gleichzeitig diese für sie neue und fremde Sprache und die eigentlichen Lerninhalte erwerben, was für viele eine unüberwindliche Schwierigkeit darstellt.
Die Unterrichtssprache ist der Grund dafür, dass viele Minderheiten, Mädchen und unterprivilegierte Kinder die Schule abbrechen. Der Sprachwissenschaftler David Corson stellte daher fest, dass "drei Gruppen am stärksten von ungerechter Sprachpolitik und -planung im Bildungswesen betroffen sind: Frauen und Mädchen, arme Menschen, sowie Gruppen mit Sprachen, die in den formalen Strukturen nicht vertreten sind. Die Ungerechtigkeit ist eindeutig am größten für diejenigen, auf die alle drei Bedingungen gleichzeitig zutreffen". (Benson 2005, 2). Bildung, die allgemein ja gern als universeller Gleichmacher angesehen wird, ist also schlicht nicht zugänglich, wenn man sie auf diese kolonialistische, elitäre Weise betreibt. Forscher wiesen nach, dass "Mädchen, die in einer ihnen vertrauten Sprache lernen, länger in der Schule bleiben, eher als gute Schüler eingestuft werden, bei Leistungstests besser abschneiden und seltener eine Klasse wiederholen als Mädchen, die keinen Sprachunterricht erhalten" (Benson 2005, 2). Unsere Audiopedia-Inhalte machen wir genau deshalb in den Muttersprachen der Frauen und Mädchen verfügbar, so dass diese Art der Bildung alle Hörerinnen effektiv erreicht. Audiopedia schließt auf diese Weise eine große Lücke im formalen afrikanischen Bildungssystem, in dem Frauen (und insbesondere Frauen in Armut) aufgrund der Sprachbarriere oft nicht einmal die grundlegendsten Lektionen lernen können.
Aktuelle Alphabetisierungsprogramme
Obwohl in den letzten zehn Jahren große Anstrengungen unternommen wurden, mehr Afrikanern Bildung zu ermöglichen, bleibt noch viel zu tun. Das zeigte auch eine Studie der Weltbank über die Wirksamkeit des Adult Functional Literacy Program in Uganda (Okech 2001). Ziel des Programms war es, erwachsenen Ugandern mit geringer Vorbildung funktionale Lese-, Schreib- und Rechenkenntnisse und andere grundlegende Fähigkeiten zu vermitteln. Darüber hinaus sollte das Programm in ihnen ein Nationalbewusstsein und eine lebenslange Freude am Lernen wecken. Die Studie ergab, dass die Teilnehmer dank des Kurses viele "einkommensschaffende Projekte" ins Leben riefen. Die meisten Schüler erreichten auch ein höheres Niveau im Lesen, Schreiben und Rechnen als Schüler der vierten Klasse der Grundschule. Insgesamt profitierten die Teilnehmer also sehr wohl.
Der Bericht weist jedoch auch auf einige Unzulänglichkeiten des Programms hin. So stellt er fest, dass "die Tätigkeiten, denen die Lernenden und Absolventen nachgehen, nach wie vor am Existenzminimum angesiedelt sind, auch wenn sie in einigen Fällen produktiver sind als zuvor". Das bedeutet: Auch Teilnehmer, die das Programm erfolgreich absolvieren, bleiben immer noch größtenteils in einem Kreislauf der Armut gefangen. Sie sind nicht in der Lage, aus schlecht bezahlten Berufen auszubrechen. Weiter wird bemängelt, dass die Alphabetisierungsmaterialien von "unterschiedlicher Qualität sind und auch nicht ausreichend gerecht verteilt werden". In den lokalen Sprachen liegen die Lernmaterialien oft nicht vor. Damit sind wir wieder beim Problem der Unterrichtssprache in Afrika, das diese Programme für Menschen ohne jeglichen Bildungshintergrund unerreichbar macht. Die Weltbank bewertet auch Supervision und Kontrolle vielerorts als miserabel, insbesondere bei den staatlichen Programmen. Damit erschwert der Mangel an Ressourcen für diejenigen Schülerinnen, die ohnehin schon mit Bildungshindernissen zu kämpfen haben, die Teilnahme noch weiter. Insbesondere für Mädchen und Frauen stellen derart unkontrollierte Situationen eine große Gefahr dar.
Die Studie kritisiert weiterhin, dass die Lehrpläne des Programms nicht berücksichtigen, was erwachsene Lernende bereits wissen und was sie wissen wollen. Vor allem Studenten in ländlichen Gebieten vermittelten diese Kursen kein praktisches Wissen, das ihnen in ihrem Beruf weiterhalf. Die Weltbank schlägt deshalb vor, die Bedürfnisse der erwachsenen Lernenden zunächst genauer zu erforschen und das Programm dann entsprechend anzupassen. Insbesondere empfiehlt sie, dass "das Ministerium Wege suchen sollte, den wachsenden NRO-Sektor stärker bei seinen Bemühungen um Alphabetisierung und Motivation zum lebenslangen Lernen zu unterstützen." Audiopedia schließt auch hier viele der Lücken des Adult Functional Literacy Programs: Der Unterricht findet in der Landessprache statt, die Lektionen sind speziell auf die ländliche Bevölkerung zugeschnitten. Und die Inhalte sind dank vieler verschiedener technischer Lösungen überall dort, verfügbar, wo die Frauen es wünschen.
Investitionen in die Bildung von Frauen stellen eine gewaltige Aufgabe dar. Die Umverteilung öffentlicher Bildungsgelder, der Bau weiterer Schulen näher an armen ländlichen Regionen und der Schutz von Frauen auf dem Weg zur Schule sind teuer und in der Praxis schwer umzusetzen. Audiopedia hingegen verlagert die Bildung direkt in die Wohnungen der Frauen. Die Gefahren der Schulen und des Schulwegs werden so vermieden und der Unterricht ist bequem zu erreichen. Frauen müssen sich auch nicht zwischen Familie und Bildung entscheiden, wenn die Bildung im Haus stattfindet. Außerdem stellt Audiopedia seine Inhalte schon heute in vielen afrikanischen Sprachen zur Verfügung, wodurch Sprachbarrieren wegfallen. Von Investitionen in die Bildung von Frauen profitiert auch das Land als Ganzes: Wenn Frauen einen Sekundarschulabschluss erreichen, steigt laut UNICEF nicht nur deren Lebenseinkommen, sondern es sinken auch die Kinder- und Müttersterblichkeitsraten ("Girls' Education"). Zudem verbessern sich die Gesundheit und das Wohlergehen der Familie, die Bildung der Kinder und die landwirtschaftliche Produktivität (Heneveld 1996, 2). Die Bildung von Frauen macht also ganze Familien, Gemeinden und Länder gesünder, sicherer und wirtschaftlich wohlhabender.
Zum Weiterlesen:
Imchen, Achila, and Francis Ndem. “Addressing the Learning Crisis.” UNICEF, January 2020. https://www.unicef.org/media/63896/file/Addressing-the-learning-crisis-advocacy-brief-2020.pdf
Heneveld, Ward, and Adhiambo Odaga. Girls and Schools in Sub-Saharan Africa: From Analysis to Action. Washington, D.C.: The World Bank Group, 1996
Brock-Utne, Birgit. "Education for All: In Whose Language?" Oxford Review of Education 27, no. 1 (2001): 115-34. Accessed December 8, 2020. http://www.jstor.org/stable/1050997
Benson, Carol. Advocacy Brief Mother Tongue-Based Teaching and Education for Girls. Bangkok, Thailand: UNESCO, 2005
Okech, Anthony, and Roy A. Carr-Hill. Adult Literacy Programs in Uganda. Washington, D.C.: The World Bank, 2001